Posts tagged karriere
Zwei Frauen – ein Ziel

Zwei Professorinnen der Universität Bern machen es vor: Dank Jobsharing sind Familie und Karriere für Bettina Nyffenegger und Lucia Malär kein Widerspruch.

An der Universität Bern studieren mehr Frauen als Männer. Auch bei den Doktorierenden machen Frauen fast die Hälfte aus. Und trotzdem wird nur jede fünfte Professur von einer Frau besetzt. Dass es auch anders geht, zeigen Bettina Nyffenegger und Lucia Malär: Sie teilen sich seit 2011 am Institut für Marketing und Unternehmensführung eine Assistenzprofessur. Sie geben gemeinsame Vorlesungen und Seminare und forschen einzeln wie auch gemeinsam über Marken und Konsumenten. Mit Erfolg: Als Markenspezialistinnen haben sie sich in Wissenschaft wie auch in der Öffentlichkeit einen Namen gemacht. Malär wurde Ende 2013 mit dem Marie Heim-Vögtlin-Preis des Schweizerischen Nationalfonds ausgezeichnet. Neben ihren Teilzeitpensen sind die Professorinnen an zwei Tagen pro Woche für ihre Kinder da.

"Die Idee, dass wir eine Professur teilen könnten, war eine Art Geistesblitz, als eine Professorenstelle frei wurde", sagt Malär, die 2008 kurz vor ihrer Promotion zum ersten Mal Mutter geworden war. Auch Nyffenegger wollte nur eine Teilzeitstelle, damit sie neben der Forschung auch in der Privatwirtschaft tätig sein konnte. Heute ist auch sie Mutter einer einjährigen Tochter. "Jobsharing eignet sich in der Forschung gut", sagt Nyffenegger – sofern auf persönlicher Ebene alles stimme. "Zwar gibt es einen Effizienzverlust, weil wir uns beide in ein Thema hineindenken müssen", sagt sie. Dafür sei der Austausch und somit auch der Output grösser: "Zu zweit haben wir doppelt so viele Ideen, wir hinterfragen unsere Arbeit häufiger, arbeiten fokussierter und setzen uns gegenseitig Deadlines." Auch bei den Studierenden komme die Abwechslung in den Vorlesungen gut an. Jobsharing sei eben mehr, als wenn zwei Leute Teilzeit arbeiteten: "Wir arbeiten als Team an einem Ziel", sagt Malär.

Noch sind sie auf ihrer Stufe mit diesem Arbeitsmodell die einzigen an der Universität Bern. Es brauche mehr Vorbilder, damit auch mehr Frauen eine akademische Laufbahn einschlagen, sagt Malär. "Und es braucht – neben Teilzeitstellen – flachere Hierarchien und mehr unbefristete Stellen im Mittelfeld, etwa Assistenzprofessuren. Dies gäbe den Frauen mehr Sicherheit und längerfristige Arbeitsperspektiven." Heute sei die akademische Laufbahn einzig auf das Ziel, irgendwann einen der wenigen unbefristeten Lehrstühle zu besetzen, ausgerichtet. Alle anderen Stufen seien nur Vorstufen mit befristeten Verträgen. Vielen Frauen sei es aber nicht so wichtig, "ganz nach oben" zu kommen: "Wir wollen in erster Linie forschen."

Text: Manuela Ryter, textbüro manuskript bern

Die gekürzte Fassung dieses Textes erschien im März 2014 im BERNpunkt, Magazin für Stadt und Region Bern (Wirtschaftsraum Bern). 

Kleinere Karrierechancen trotz guter Ausbildung

Die jungen Berner Frauen haben in der Bildung aufgeholt: An den Berner Hochschulen studieren mehr Frauen als Männer. Auf dem Arbeitsmarkt können die top ausgebildeten Frauen ihr Potenzial jedoch auch heute noch nicht ausschöpfen.

Die Zeiten, in denen Frauen den Männern punkto Ausbildung nachhinkten, sind vorbei: Die jungen Frauen im Kanton Bern sind heute sogar etwas besser ausgebildet als die jungen Männer. Frauen sind an der Universität Bern mit 54 Prozent in der Mehrheit. Noch vor 30 Jahren sassen in den Berner Hörsälen nur ein Drittel Frauen. An der Pädagogischen Hochschule Bern sind Frauen mit über zwei Dritteln vertreten. Nur an der Berner Fachhochschule sind sie mit 42 Prozent in der Minderheit. Begründet wird dies unter anderem damit, dass viele junge Berner Frauen das Gymnasium besuchen, während sich junge Männer häufiger für eine duale Ausbildung mit Lehre, Berufsmaturität und Fachhochschule entscheiden.

Dies sind beachtliche Zahlen und sie liegen im Schweizer Durchschnitt. Die Studienrichtung wählen die jungen Frauen jedoch nach wie vor nach Stereotypen, ähnlich wie die angehenden Lernenden bei der Berufswahl. Auch wählen sie aus einem viel kleineren Spektrum an Fächern und Berufen als Männer. Im Kanton Bern studieren Frauen Recht, Medizin oder wählen ein Studium an der geisteswissenschaftlichen Fakultät. Oder sie bilden sich zur Lehrerin, Pflegefachfrau oder Designerin aus. In technischen Fächern wie Informatik, Technik, Architektur, Bau oder Wirtschaftswissenschaften sind sie zum Teil stark untervertreten.

Geringere Karrierechancen, weniger Lohn

So gut die Frauen ausgebildet sind – in der Arbeitswelt können sie ihr Potenzial auch heute nicht ausschöpfen. Gute Qualifikationen führen bei Frauen viel weniger häufig zu einem gut bezahlten Job als bei Männern: Fünf Jahre nach dem Masterabschluss besetzen 27 Prozent der studierten Frauen in der Schweiz eine Kaderstelle, nach einem Fachhochschulstudium 32 Prozent. Bei den Männern sind es 39 Prozent bzw. 50 Prozent. Und wenn die Kinder kommen, sinkt der Frauenanteil in Kaderpositionen weiter ab. Im Espace Mittelland waren 2012 16 Prozent aller erwerbstätigen Frauen Vorgesetzte. Bei den Männern waren es 24 Prozent. Auch an der Universität Bern wird nur jede fünfte Professur von einer Frau besetzt.

Auch bei den Besten der dualen Grundausbildung, jenen, die mit Auszeichnungen von Berufs- oder Weltmeisterschaften zurückkehren, gibt es keinen Leistungsunterschied zwischen Männern und Frauen, wie Ueli Müller, Unternehmer und Generalsekretär von SwissSkills, betont. Eine berufliche Karriere machten dann trotzdem vorwiegend die Männer, «weil die Frauen Kinder bekommen». Es sei die brutale Realität in der KMU- Welt, die die Schweiz präge, dass die Verfügbarkeit entscheidend für die Karriereentwicklung sei – da könne bereits der Mutterschaftsurlaub zum Problem werden. Teilzeit sei meist nicht möglich, schon gar nicht in einer verantwortungsvollen Position. Die Gesellschaft müsse aufhören, Frauen ein schlechtes Gewissen zu machen, wenn sie Karriere machen wollten, sagt Müller. «Doch meine persönliche Erfahrung im KMU-Umfeld zeigt, dass viele Frauen kein Interesse mehr an einer Karriere haben, sobald Kinder da sind.»

Frauen stossen an gläserne Decke

Dieses Argument lässt Barbara Ruf von der Kantonalen Fachstelle für Gleichstellung nicht gelten: «Wir kämpfen dafür, dass Frauen wählen können. Und dies ist heute nicht der Fall.» Die Arbeitsanforderungen seien auf eine traditionelle, männliche Arbeitswelt ausgelegt: In einer Führungsfunktion arbeitet man Vollzeit und ist jederzeit verfügbar. Die grosse Mehrheit der Frauen mit Kindern im Kanton Bern arbeitet jedoch Teilzeit, während ihre Partner 100 Prozent arbeiten, wie aus den Zahlen des Bundesamts für Statistik hervorgeht. «Frauen stossen in Unternehmen oft an eine gläserne Decke», sagt Ruf, «sie können ihre Qualifikationen, die sie aus der Ausbildung mitbringen, in der Berufswelt nicht gleich umsetzen wie Männer.» Viele gut qualifizierte Frauen wählten deshalb den Ausweg in die Selbstständigkeit – und fehlten somit in den Unternehmen. Es tue sich jedoch etwas, sagt Ruf, auch wenn die Fortschritte sehr klein seien. Etwa das KMU, welches eine Lösung findet für einen Vater, der sein Pensum reduzieren möchte, damit auch seine Frau arbeiten kann. Oder das grössere Unternehmen, das mit Mentoring gezielt Karrieren von Frauen fördert.

Für die Unternehmerin Christine Abbühl vom Frauenwirtschaftsverband Business and Professional Women Bern muss sich das Gesellschaftsbild, nach welchem «eine Mutter zu ihren Kindern gehört und ein Mann Vollzeit arbeitet», ändern, damit sich die Chancen für die Frauen verbessern können. Die jungen, aufstrebenden Frauen lebten in einem Irrglauben. «Sie sind überzeugt, dass es nicht nur in der Bildung, sondern auch im Beruf Chancengleichheit gibt.» Dies entspreche jedoch auch bei Frauen ohne Kinder nicht der Realität – und wenn sie dies merkten, sei die Enttäuschung gross.

Text: Manuela Ryter, textbüro manuskript bern

Dieser Text erschien im März 2014 im BERNpunkt, Magazin für Stadt und Region Bern (Wirtschaftsraum Bern).

Kinder, Küche und Karriere
Bildschirmfoto 2013-05-13 um 19.42.19.png

Drei Mütter wirken in der Leitung der Agentur Freiburghaus und Partner mit - ein Einzelfall in der Werbebranche

Das Kind auf dem Arm und die Präsentation im Kopf: Drei Frauen der Berner Werbeagentur Freiburghaus und Partner zeigen, dass mit Teamwork und viel Einsatz auch in der Werbebranche Kaderjob und Familie vereinbar sind.

Nächtelanges Tüfteln an der neuen Idee, unzählige Überstunden wegen der kommenden Präsentation, stete Verfügbarkeit für die Kunden: Wer in der Werbung arbeitet, tut dies voll und ganz - oder gar nicht. Der niedrige Anteil an Teilzeitarbeitenden in der Branche zeigt, dass am Klischee des Werbers als «Workaholic» etwas dran ist: Teilzeit ist in vielen Agenturen tabu, Frauen müssen sich deshalb oft zwischen Karriere und Familie entscheiden - gerade in der Werbebranche, in der Flexibilität gross geschrieben wird. Frauen mit Kindern sucht man in Kaderpositionen fast vergebens.

Dass es auch anders geht, zeigt die Berner Werbeagentur Freiburghaus und Partner. Inhaber und Creative Director Simon Freiburghaus arbeitet in der Geschäftsleitung mit drei Frauen zusammen, die neben Sitzungen auch Zeit für Hausaufgaben und Mukiturnen finden: Pascale Berclaz, Mutter von zwei Kindern, und Barbara Brügger, die gerade Mutterschaftsurlaub bezieht, beraten die Kunden und leiten die Produktion. Romy Freiburghaus ist für die Finanzen und das Personal zuständig - daneben betreut sie drei Kinder und arbeitet als Dozentin.

Das unkonventionelle Arbeitsmodell hat Erfolg: Die 1996 als Werbeduo Freiburghaus und Banderini gegründete Agentur hat heute 14 Angestellte und zählt zahlreiche grosse Firmen zu ihren Kunden, so zum Beispiel IP-Suisse, Novartis Consumer Health, Swiss Olympic Association, den Verband Schweizer Metzgermeister und das Stade de Suisse.

Teilzeit in Kaderjob unmöglich . . .

Dass das Arbeitsmodell der Berner Werbeagentur in der Werbebranche nicht üblich ist, bekamen die Frauen zu spüren: Als Romy Freiburghaus vor 14 Jahren ihr erstes Kind erwartete - sie arbeitete damals als Werbeleiterin -, hiess es: Vollzeit oder gar nicht. «Daraufhin habe ich gekündigt», erzählt die 41-Jährige. Hinter ihr prangt riesig ein Plakat, das eine unaufgeräumte Küche zeigt und mit dem Slogan «Schuhe zum Davonlaufen» für das Schuhhaus Botty wirbt. Auch heute sei Vollzeit in vielen Agenturen ein ungeschriebenes Gesetz, sagt Freiburghaus: «Das ist schade, denn so geht der Branche viel Know-how verloren.» Auch Pascale Berclaz bekam 1999, als sie trotz Kind den Kaderjob bei Freiburghaus und Partner annahm, von Berufskollegen zu hören, Teilzeit sei in dieser Position unmöglich. «Wir haben das Gegenteil bewiesen», sagt die zierliche, elegante Frau nicht ohne Stolz.

. . . oder Frage der Organisation?

Organisation und Teamwork, aber auch flachere Hierarchien seien das A und O. «Wenn wir nicht da sind, werden die Kunden von unseren Planern betreut», sagt Barbara Brügger - man müsse Verantwortung teilen und abgeben können und dem Team vertrauen. Pascale Berclaz bezeichnet das Arbeitsmodell als «Win-win-Situation», denn auch die Firma profitiere davon: «Sie bezahlt ein halbes Hirn und erhält ein ganzes.» In einer Führungsposition könne sie an Feierabend nicht den Stift ablegen und mit freiem Kopf nach Hause gehen: «Ich bin zwar physisch nicht immer anwesend, geistig aber hundertprozentig», sagt die 34-Jährige. Sie sei übers Handy jederzeit für ihre Kunden erreichbar, checke alle drei bis vier Stunden ihre E-Mails und denke sich mit dem Kind auf dem Arm und dem Kochlöffel in der Hand auch mal eine Idee für die neue Präsentation aus. Einzig wenn eine wichtige Präsentation anstehe - das sei etwa fünf- bis sechsmal im Jahr -, werde auch sie zum «Workaholic», «aber da wird die ganze Familie vorgewarnt», fügt sie lachend hinzu. Ihr Sohn schicke ihr jeweils ein SMS mit dem Text «Viel Glück Mami».

Das schlechte Gewissen

Die Doppelbelastung könne einen jedoch auffressen, sagt Pacale Berclaz. Das sei wohl auch der Grund, weshalb sich viele Mütter gar nicht auf eine leitende Funktion einliessen - «Agenturarbeit ist auch ohne Familie ein sehr stressiger Job.» Die grösste Herausforderung sei jedoch das «latent schlechte Gewissen». Gegenüber den Kindern, aber auch gegenüber dem Team. Berclaz erzählt, wie ihre kleine Tochter an diesem Morgen einen Schreikrampf hatte und partout nicht wollte, dass ihr Mami arbeiten geht. Oder von jenen Tagen, wo auf der Arbeit Stress ansteht und ausgerechnet dann ein Kind krank wird. In Krisensituationen komme das Kind an erster Stelle, sagen die drei Frauen einstimmig. Und auch wenn einmal nicht alles klappe, «Unverständnis von Seiten der Kunden gab es noch nie, im Gegenteil - sie zeigen jeweils Anteilnahme», sagt Berclaz.

Im gesellschaflichen Umfeld stossen die drei Frauen allerdings häufig nicht auf Verständnis; «Rabenmutter» und «karrieregeil» seien immer wieder gehörte Bemerkungen. «Und wenn in der Schule etwas nicht läuft, heisst es immer gleich: Die Mutter arbeitet», sagt Pascale Berclaz, die auf dem Land wohnt und ihre Kinder von einem Au-pair betreuen lässt. Das Problem sei, dass «die Solidarität unter den Frauen fehlt», sagt Romy Freiburghaus - gerade auch am Arbeitsplatz.

Die Frau und die Emanzipation

Angesprochen auf die Mitarbeit der Männer in der Familie, verstummen die Frauen. Das sei ein delikates Thema, sagen sie. Wenn ein Kind krank sei, bleibe sie zuhause, sagt Romy Freiburghaus. «Die Frauen sind heute emanzipiert - sie tragen aber nach wie vor viel mehr Verantwortung für Haus und Kinder», sagt Barbara Brügger. Die 33-Jährige teilt die Betreuung ihrer Tochter mit ihrem Mann. Man müsse «Männer mehr ins Gebet nehmen», sagt sie. Bei ihnen stosse die Forderung nach Teilzeit allerdings auf noch mehr Widerstand als bei Frauen.

Die Frau und die Werbung

Sie seien keine Quotenagentur. Und dennoch - Frauen tun der Branche gut, davon ist man bei Freiburghaus und Partner überzeugt: «Frauen haben viel Einfühlungsvermögen und ein gutes Gespür für Kunden», sagt Barbara Brügger. Ausserdem sei die Werbung «eine aufgeblasene Branche» - als Mutter nehme man die Dinge gelassener. «Wenn ich abends mein Kind schlafen sehe, relativiert sich der Stress um die Werbekampagne», sagt Pascale Berclaz. Das spiegle sich auch in der Werbung wider: «Wir wollen keine schreierische, sexistische Werbung mit dem letzten Humor machen. Sondern ehrliche.»

Auch Simon Freiburghaus ist überzeugt, dass die «exotische Führungsstruktur» mit den Frauen in der Leitung die Agentur präge. «Nicht weil sie Frauen sind, sondern wegen ihrer Doppelverantwortung in Job und Familie», sagt er. Sie setzten die Investitionen der Kunden pragmatischer und zielorientierter ein als andere Agenturen: «Wir schlagen einen Vernunftsweg ein. Wir wollen keine Werbung als ,l’art pour l’art‘. Und bleiben trotzdem authentisch.»

Text: Manuela Ryter

Dieser Artikel erschien am 6. September 2005 im "Bund".​