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Kinder, Küche und Karriere
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Drei Mütter wirken in der Leitung der Agentur Freiburghaus und Partner mit - ein Einzelfall in der Werbebranche

Das Kind auf dem Arm und die Präsentation im Kopf: Drei Frauen der Berner Werbeagentur Freiburghaus und Partner zeigen, dass mit Teamwork und viel Einsatz auch in der Werbebranche Kaderjob und Familie vereinbar sind.

Nächtelanges Tüfteln an der neuen Idee, unzählige Überstunden wegen der kommenden Präsentation, stete Verfügbarkeit für die Kunden: Wer in der Werbung arbeitet, tut dies voll und ganz - oder gar nicht. Der niedrige Anteil an Teilzeitarbeitenden in der Branche zeigt, dass am Klischee des Werbers als «Workaholic» etwas dran ist: Teilzeit ist in vielen Agenturen tabu, Frauen müssen sich deshalb oft zwischen Karriere und Familie entscheiden - gerade in der Werbebranche, in der Flexibilität gross geschrieben wird. Frauen mit Kindern sucht man in Kaderpositionen fast vergebens.

Dass es auch anders geht, zeigt die Berner Werbeagentur Freiburghaus und Partner. Inhaber und Creative Director Simon Freiburghaus arbeitet in der Geschäftsleitung mit drei Frauen zusammen, die neben Sitzungen auch Zeit für Hausaufgaben und Mukiturnen finden: Pascale Berclaz, Mutter von zwei Kindern, und Barbara Brügger, die gerade Mutterschaftsurlaub bezieht, beraten die Kunden und leiten die Produktion. Romy Freiburghaus ist für die Finanzen und das Personal zuständig - daneben betreut sie drei Kinder und arbeitet als Dozentin.

Das unkonventionelle Arbeitsmodell hat Erfolg: Die 1996 als Werbeduo Freiburghaus und Banderini gegründete Agentur hat heute 14 Angestellte und zählt zahlreiche grosse Firmen zu ihren Kunden, so zum Beispiel IP-Suisse, Novartis Consumer Health, Swiss Olympic Association, den Verband Schweizer Metzgermeister und das Stade de Suisse.

Teilzeit in Kaderjob unmöglich . . .

Dass das Arbeitsmodell der Berner Werbeagentur in der Werbebranche nicht üblich ist, bekamen die Frauen zu spüren: Als Romy Freiburghaus vor 14 Jahren ihr erstes Kind erwartete - sie arbeitete damals als Werbeleiterin -, hiess es: Vollzeit oder gar nicht. «Daraufhin habe ich gekündigt», erzählt die 41-Jährige. Hinter ihr prangt riesig ein Plakat, das eine unaufgeräumte Küche zeigt und mit dem Slogan «Schuhe zum Davonlaufen» für das Schuhhaus Botty wirbt. Auch heute sei Vollzeit in vielen Agenturen ein ungeschriebenes Gesetz, sagt Freiburghaus: «Das ist schade, denn so geht der Branche viel Know-how verloren.» Auch Pascale Berclaz bekam 1999, als sie trotz Kind den Kaderjob bei Freiburghaus und Partner annahm, von Berufskollegen zu hören, Teilzeit sei in dieser Position unmöglich. «Wir haben das Gegenteil bewiesen», sagt die zierliche, elegante Frau nicht ohne Stolz.

. . . oder Frage der Organisation?

Organisation und Teamwork, aber auch flachere Hierarchien seien das A und O. «Wenn wir nicht da sind, werden die Kunden von unseren Planern betreut», sagt Barbara Brügger - man müsse Verantwortung teilen und abgeben können und dem Team vertrauen. Pascale Berclaz bezeichnet das Arbeitsmodell als «Win-win-Situation», denn auch die Firma profitiere davon: «Sie bezahlt ein halbes Hirn und erhält ein ganzes.» In einer Führungsposition könne sie an Feierabend nicht den Stift ablegen und mit freiem Kopf nach Hause gehen: «Ich bin zwar physisch nicht immer anwesend, geistig aber hundertprozentig», sagt die 34-Jährige. Sie sei übers Handy jederzeit für ihre Kunden erreichbar, checke alle drei bis vier Stunden ihre E-Mails und denke sich mit dem Kind auf dem Arm und dem Kochlöffel in der Hand auch mal eine Idee für die neue Präsentation aus. Einzig wenn eine wichtige Präsentation anstehe - das sei etwa fünf- bis sechsmal im Jahr -, werde auch sie zum «Workaholic», «aber da wird die ganze Familie vorgewarnt», fügt sie lachend hinzu. Ihr Sohn schicke ihr jeweils ein SMS mit dem Text «Viel Glück Mami».

Das schlechte Gewissen

Die Doppelbelastung könne einen jedoch auffressen, sagt Pacale Berclaz. Das sei wohl auch der Grund, weshalb sich viele Mütter gar nicht auf eine leitende Funktion einliessen - «Agenturarbeit ist auch ohne Familie ein sehr stressiger Job.» Die grösste Herausforderung sei jedoch das «latent schlechte Gewissen». Gegenüber den Kindern, aber auch gegenüber dem Team. Berclaz erzählt, wie ihre kleine Tochter an diesem Morgen einen Schreikrampf hatte und partout nicht wollte, dass ihr Mami arbeiten geht. Oder von jenen Tagen, wo auf der Arbeit Stress ansteht und ausgerechnet dann ein Kind krank wird. In Krisensituationen komme das Kind an erster Stelle, sagen die drei Frauen einstimmig. Und auch wenn einmal nicht alles klappe, «Unverständnis von Seiten der Kunden gab es noch nie, im Gegenteil - sie zeigen jeweils Anteilnahme», sagt Berclaz.

Im gesellschaflichen Umfeld stossen die drei Frauen allerdings häufig nicht auf Verständnis; «Rabenmutter» und «karrieregeil» seien immer wieder gehörte Bemerkungen. «Und wenn in der Schule etwas nicht läuft, heisst es immer gleich: Die Mutter arbeitet», sagt Pascale Berclaz, die auf dem Land wohnt und ihre Kinder von einem Au-pair betreuen lässt. Das Problem sei, dass «die Solidarität unter den Frauen fehlt», sagt Romy Freiburghaus - gerade auch am Arbeitsplatz.

Die Frau und die Emanzipation

Angesprochen auf die Mitarbeit der Männer in der Familie, verstummen die Frauen. Das sei ein delikates Thema, sagen sie. Wenn ein Kind krank sei, bleibe sie zuhause, sagt Romy Freiburghaus. «Die Frauen sind heute emanzipiert - sie tragen aber nach wie vor viel mehr Verantwortung für Haus und Kinder», sagt Barbara Brügger. Die 33-Jährige teilt die Betreuung ihrer Tochter mit ihrem Mann. Man müsse «Männer mehr ins Gebet nehmen», sagt sie. Bei ihnen stosse die Forderung nach Teilzeit allerdings auf noch mehr Widerstand als bei Frauen.

Die Frau und die Werbung

Sie seien keine Quotenagentur. Und dennoch - Frauen tun der Branche gut, davon ist man bei Freiburghaus und Partner überzeugt: «Frauen haben viel Einfühlungsvermögen und ein gutes Gespür für Kunden», sagt Barbara Brügger. Ausserdem sei die Werbung «eine aufgeblasene Branche» - als Mutter nehme man die Dinge gelassener. «Wenn ich abends mein Kind schlafen sehe, relativiert sich der Stress um die Werbekampagne», sagt Pascale Berclaz. Das spiegle sich auch in der Werbung wider: «Wir wollen keine schreierische, sexistische Werbung mit dem letzten Humor machen. Sondern ehrliche.»

Auch Simon Freiburghaus ist überzeugt, dass die «exotische Führungsstruktur» mit den Frauen in der Leitung die Agentur präge. «Nicht weil sie Frauen sind, sondern wegen ihrer Doppelverantwortung in Job und Familie», sagt er. Sie setzten die Investitionen der Kunden pragmatischer und zielorientierter ein als andere Agenturen: «Wir schlagen einen Vernunftsweg ein. Wir wollen keine Werbung als ,l’art pour l’art‘. Und bleiben trotzdem authentisch.»

Text: Manuela Ryter

Dieser Artikel erschien am 6. September 2005 im "Bund".​