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apps with love

Apps sollen uns das Leben erleichtern – das ist das Credo der Berner Agentur Apps with love. Die Entwickler in der Lorraine wissen, was es für eine gute Applikation braucht.

Smartphones bestimmen unser Leben. Doch eigentlich sind es nicht die Funktionen der fortschrittlichen Handys, die uns an den Bildschirm fesseln, sondern die Apps, die diesen zum Leben erwecken. Es gibt Apps für jeden erdenklichen Nutzen. Wir wissen dank einer App, wann der nächste Bus in unserer Nähe fährt, wir überwachen unser Baby und zählen die Kalorien per App, wir pflegen unseren Freundeskreis über Apps und analysieren per App die Lawinengefahr. Vieles ist Spielerei, vieles Zeitverschwendung, manches nützlich.

«Eine gute App erleichtert uns das Leben», sagt App-Spezialist Beni Hirt. Er muss es wissen – seit vier Jahren produziert der Mitbegründer der App-Agentur Apps with love in der Berner Lorraine Smartphone-Applikationen. «Nur Apps, die wirklich nützlich sind und uns einen klaren Mehrwert bringen, setzen sich durch», sagt er. Der Knackpunkt sei, dass häufig nicht voraussehbar sei, ob eine App tatsächlich nützlich sein werde oder nicht – «sonst wäre Facebook schon viel früher erfunden worden».

Kreativität ist gefragt

Beni Hirt ist jung, seine schwarze Brille rundet seinen schicken, urbanen Stil ab. Der 33-jährige Berner gehört zu jenen, die das Potenzial des mobilen Internets früh erkannt haben. Bei einem Sofa-gespräch nach dem Pokern wälzten der Betriebsökonom und seine Freunde erstmals die Idee, selbst eine App zu entwickeln. Im Jahr 2010 gründete Hirt zusammen mit einem Designer, einem gadgetaffinen Lehrer und einem Software-Entwickler Apps with love.

Die damals initiierte Einladungs-App «Come on!» kam erst drei Jahre später auf den Markt. Doch bis dahin war aus dem Start-up mit der ursprünglich bescheidenen Geschäftsidee – der Entwicklung einer eigenen App – eine erfolgreiche Agentur mit 16 Mitarbeitern geworden. Mit Apps wie «Openair-Buddy» für die Swiss-com oder «Gleis 7» für die SBB festigte die Agentur ihren Platz im hart umkämpften Apps-Markt. Der unterschiedliche Hintergrund der vier Gründer unterscheide das Unternehmen bis heute von der Konkurrenz, sagt Hirt.

Denn bei App-Entwicklern ist viel Kreativität gefragt. Und diese flimmert im kleinen Büro von Apps with love regelrecht in der Luft. Apps werden hier nicht nur mit Liebe und Leidenschaft, sondern auch mit viel Know-how produziert.

Die Kunst der Entwicklung

Das Team von Apps with love weiss, was es für eine gute App – abgesehen von der guten Idee – noch braucht. «Eine gute App ist klar und einfach aufgebaut und hat ein tolles Design», sagt Hirt. Erst dann werde ihre Funktion für den Nutzer zugänglich. Bei den Apps gilt also, was im komplexen Leben immer seltener wird: weniger ist mehr. Hier liege die Kunst der App-Entwickler, sagt Hirt, «denn je einfacher eine App auf dem Bildschirm daher kommt, desto komplexer ist in den meisten Fällen ihre Entwicklung».

Eine gute App sei jedoch nicht in jedem Fall eine erfolgreiche App, sagt Hirt: «Eine App muss an die Massen, das braucht viel Zeit und ein grosses Marketingbudget.» Hirt und sein Team mussten dies bei ihren vier Eigenproduktionen schmerzlich erfahren. Mit eigenen Apps Geld zu verdienen, sei sehr schwierig, sagt Hirt – egal ob die App gratis mit Werbung oder für zwei Franken im App-Store erhältlich sei. Die in der Schweiz produzierten Apps seien daher meistens Marketinginstrumente. So etwa die von Hirt und seinem Team produzierte App «SBB Connect», mit der Reisende allfällige Facebook- und Twitterfreunde im gleichen Zug auffinden können.

Die Entwicklung im Apps-Bereich werde trotzdem massiv weitergehen, sagt Hirt, «das Potenzial ist noch riesig». So werde etwa im Bereich der Indoor-Navigation viel Neues kommen. «Apps werden uns beispielsweise im Laden zu den Aktionen führen», sagt Hirt. Zu was Apps sonst noch fähig sind, wird die Zukunft zeigen.

dieser artikel erschien am 20. mai 14 in der bz/bund-beilage "bildung".
text: manuela ryter, textbüro manuskript, bern 

Mit Handwerk zu mehr Mobilität

Als Orthopädistin macht Lisa Reinhard Menschen mobiler. Dieser Beruf vereint Handwerk, medizinisches Wissen und den Umgang mit Menschen.

Bewegung ist ihr Leben. Als professionelle Tänzerin schafft Lisa Reinhard mit Bewegung Kunst. Und als Orthopädistin bewegt sie Menschen, indem sie sie mobiler macht. Die 23-jährige Bernerin steht in der grossen Werkstatt des Ortho-Teams in Bern, wo sie Teilzeit arbeitet. Hier geht es um Einlagen, Orthesen und Prothesen. Um Korsette und massgefertigte Rollstühle. Um Gehhilfen und Spezialschuhe. In jeder Ecke dieser Werkstatt wird gegipst, geschliffen, gefräst und genäht. Reinhard hantiert mit grossen Maschinen, arbeitet mit modernster Technik am Computer oder in Feinstarbeit von Hand. Sie hat mit Metall und Kunststoff, Karbon und Polster, Leder und Stoff zu tun. Und in der Praxis vor den Türen der Werkstatt mit Menschen – den Kundinnen und Kunden, die diese Hilfsmittel benötigen.

Frauen in der Überzahl

Vor sich hat sie ein Korsett, das noch in Arbeit ist. Es wird seine Besitzerin, die an Muskelschwäche leidet, aufrecht halten und ihren Gang verbessern. Damit ihr Rü- cken gerader wird und die Schmerzen weniger werden. In einer Kiste warten die Unterschenkelorthesen eines Fünfjährigen mit cerebraler Lähmung. Diese «Schienen» sollen verhindern, dass sich seine Muskeln verkürzen, und ihm beim Laufenlernen helfen. Reinhard hat sie selbst gefertigt. Sie hat die Beine des jungen Kunden in der richtigen Stellung eingegipst und danach ein Modell gegossen, dieses geschliffen und mit Polster und erwärmtem Kunststoff überzogen. Nur die Näharbeit für Ledereinsatz und Klettverschlüsse überliess sie anderen Spezialistinnen. «Im Ortho-Team arbeiten wir in spezialisierten Abteilungen, aber eigentlich sind wir alle Allrounder und haben das Handwerk jedes Bereichs gelernt.»

Es sei die Abwechslung und Vielseitigkeit, die sie an diesem Beruf fasziniere, sagt Reinhard. Er verlange grosses handwerkliches Talent, soziale Kompetenzen und viel medizinisches Wissen. Die vierjährige Lehre, die in einem Orthopädie-Geschäft absolviert wird, sei daher gerade für Frauen attraktiv. Und tatsächlich: Waren noch vor 15 Jahren fast nur Männer an den zwei Berufsschulen in Zürich und Lausanne, seien die Frauen heute in der Überzahl. Pro Lehrjahr sind es rund 35 Lernende.

Sie kennt die andere Seite

Lisa Reinhard, die schon als Kind stundenlang bastelte, fühlt sich in der Werkstatt wohl. Das Talent und die Leidenschaft für den Beruf hat sie von ihrem Vater, der das Ortho-Team vor über 20 Jahren mitgründete. Heute werden schweizweit rund 200 Mitarbeitende beschäftigt. Als Jugendliche erfuhr sie selbst, was es heisst, wenn die Mobilität eingeschränkt ist: Ihre Wirbelsäule wuchs krumm heran und sie musste während drei Jahren ein hartes Korsett tragen. «Da lernte ich den Beruf kennen und schätzen. Ich erkannte, wie viel Arbeit in einem Hilfsmittel steckt.» Diese Dankbarkeit erhält sie heute von ihren Kunden. Sie sind gehbehindert, verletzt oder haben Schmerzen. Es sind Alte oder Kinder. Profifussballer, Banker oder geistig Behinderte.

Eine Arbeit, die Sinn macht

Der Umgang mit den Kunden sei so bereichernd wie herausfordernd, sagt die selbstbewusste junge Frau. Doch auch dies sei Teil der Ausbildung. «Das wichtigste ist, dass man jeden Kunden ernst nimmt. Auch mit Kindern oder mit geistig Behinderten kann man ganz normal reden – nur so findet man heraus, wo es drückt oder schmerzt. Und auch Senioren, die Schmerzen haben, muss man verstehen und ihnen zuhören können.» Ihre Stammkunden besucht Reinhard regelmässig im Spital, im Schulheim oder in Institutionen, und arbeitet dort mit Ärzten und Therapeutinnen zusammen. Die Mobilität ihrer Kunden gebe ihrer Arbeit Sinn, sagt Reinhard. «Mein Ziel ist es, dass sie ein eigenständigeres Leben führen können.» Oder dass sie schmerzfrei leben könnten – und dadurch mobiler seien. Denn mit Schmerzen nehme man immer den kürzesten Weg. Diese Herausforderung sei ihr Antrieb: «Ich weiss, wozu ich arbeite.»

Text und Bilder: Manuela Ryter, textbüro manuskript in Bern

Dieser Text erschien am 25.Februar 2014 in der BZ-Beilage "Bildung".