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Ein Radar für den Vogelschutz
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Windkraft hat Aufwind. Doch für Vögel und Fledermäuse sind die Rotoren oft tödlich. Vogelschützer und Windkraftbetreiber wollen nun auf Technik setzen: Der Radar einer Berner Firma soll die Anlagen abstellen, sobald Zugvögel vorbeiziehen.

Das Prinzip ist einfach: Nähern sich einem Windpark Zugvögel in Schwärmen, werden diese vom Vogelradar erkannt. Erreicht die Vogeldichte einen gewissen Schwellenwert, stellen automatisch alle Turbinen ab. Die Rotoren stehen mehrere Stunden still, bis der Vogelzug vorüber ist. Jeden Herbst und jeden Frühling, bis die vielen Millionen Zugvögel die Schweiz Richtung Süden durchquert haben.

Der Vogelradar soll so Hunderte Zugvögel, aber auch Fledermäuse vor dem Tod bewahren. Wie viele Vögel genau mit den Rotoren der Windturbinen kollidieren, ist nicht bekannt – noch fehlen verlässliche Studien. «Doch das Problem ist zweifellos da», sagt Matthias Kestenholz von der Vogelwarte Sempach, denn die meisten Zugvögel flögen just auf der Höhe der bis zu 120 Meter hohen Turbinen, deren drehende Rotoren sie nicht richtig einschätzen oder in der Nacht übersehen. Und ausgerechnet dort, wo die Zugvögel je nach Wind und Jahreszeit zahlreich fliegen, sind auch die besten Windverhältnisse für die Windenergie: den Juraketten und dem Alpennordhang entlang. Konflikte seien also unvermeidlich, so Kestenholz.

Denn die Windenergie ist im Kommen. Der Bund hat ihr in seiner Energiestrategie viel Gewicht gegeben. Hunderte Projekte werden momentan aufgegleist und die Kantone suchen beflissen nach idealen Standorten für neue Windturbinen. Doch fast alle Projekte kommen mit dem Vogelschutz in Konflikt, viele stehen still, weil Einsprachen von Seiten der Umweltverbände und des Vogelschutzes hängig sind. Und das, obwohl diese die Windkraft im Grundsatz befürworten. Denn auch für die Vogelarten ist der Klimawandel eine der grössten Gefahren – und erneuerbare Energien daher mehr als erstrebenswert. Es wird deshalb auf allen Seiten nach Lösungen gesucht.

«Verkraftbare Investition»

An Lösungen sind auch die künftigen Betreiber von Windparks interessiert, denn mit jeder Einsprache weniger erhält ein Projekt mehr Chancen. So entstand auch der Vogelradar aus der Not heraus. «Als fixe Abschaltzeiten der Turbinen während des Vogelzugs gefordert wurden, suchten wir nach einer Lösung», sagt Urs Seiffert, der als Geschäftsführer der Firma Considerate AG in Köniz auch Windparks entwickelt. Er gründete die Firma Swiss Birdradar Solution AG und entwickelte zusammen mit der Vogelwarte, die seit Jahrzehnten Radare der Schweizer Armee einsetzt, um Zugvögel zu erforschen, den Radar Birdscan. Es gebe Standorte, die den vom Bund festgelegten Grenzwert getöteter Vögel ohne Massnahmen nicht überschreiten. «Die anderen müssen die Anlagen während des Vogelzugs abstellen. Ganz oder dank des Radars nur stundenweise.» Ein Grossteil des Vogelschlags könne so verhindert werden.

Fest eingeplant ist der neue Vogelradar, der ab 2014 verkauft wird, bei der geplanten Anlage auf dem solothurnischen Grenchenberg. «Unser Ziel ist es, möglichst wenig Schäden zu verursachen», sagt Per Just, Geschäftsführer der SWG. Dank dem Radar könne man mit einer verkraftbaren Investition ein potenzielles Umweltproblem lösen – und erst noch davon profitieren, da man so die Abschaltzeiten verkürzen könne. Die Investitionskosten von rund 350 000 Franken würden also rasch amortisiert werden.

Radar löst nicht alle Probleme

Dass der Radar die Akzeptanz der Windenergie erhöhen wird, hofft auch Reto Rigassi von Suisse Eole, dem Verband zur Förderung der Windenergie. Eine solche Massnahme sei jedoch nur an Standorten mit sehr intensivem Vogel-zug verhältnismässig, sagt er. «Laut unserer Einschätzung sind Windparks keine grosse Gefahr für Zugvögel.» Doch man sei bereit, die Befürchtungen ernst zu nehmen. «Wir wollen als Teil der Lösung wahrgenommen werden und nicht als Gegner des Naturschutzes.»

So oder so wird der Radar nicht alle Probleme lösen. Denn nicht nur Zugvögel, sondern auch heimische Vögel wie Störche, Adler oder Milane kollidieren mit den Windturbinen. Um die Standortsuche zu erleichtern, hat die Vogelwarte im Auftrag des Bafu Konfliktpotenzialkarten erarbeitet. Auch die Beeinträchtigung der Lebensräume in zuvor nicht erschlossenen Gebieten macht den Vogelschützern Sorgen. Dies bekam auch das Projekt Schwyberg im Kanton Freiburg zu spüren: Unter anderem wegen der dort ansässigen Birkhühner liegt das Windenergieprojekt auf Eis. Und eine Lösung ist hier nicht in Sicht. 

 

3 FRAGEN AN

Markus Geissmann, Leiter Windenergie beim Bundesamt für Energie (BFE)

Windenergie ist im Aufwind, stösst jedoch auf Widerstand. Wie grün ist die grüne Energie wirklich?

Sie ist vom Material- und Landverbrauch her sehr grün. Kritik ist nur in zwei Bereichen angebracht: der Landschaftswirkung und dem Vogelschutz. Ersteres sollte eigentlich kein Thema sein, denn mit Windkraft wird langfristig nichts verbaut. Den Vogelschutz hingegen müssen wir ernst nehmen und ihn richtig angehen. Er darf aber auch nicht instrumentalisiert werden.

Bringt der Vogelschutz die Energiewende in Gefahr?

Diese Aussage ist zu plakativ, denn es gibt noch viele andere Faktoren – neben dem Landschaftsschutz und der Akzeptanz in der Bevölkerung etwa die Verträglichkeit mit der Zivilluftfahrt oder dem Militär. Doch der Vogelschutz ist ein Problem: Jedes Projekt, das momentan in Planung ist, kommt mit den Vögeln in Konflikt. Sei das, weil ein Standort laut Konfliktpotenzialkarte der Vogelwarte Sempach in einem Konfliktgebiet liegt oder weil ein Anwohner behauptet, in der Nähe gebe es Turmfalken.

Dann wird das Thema Vogelschutz überbewertet?

Was die Zugvögel angeht: ja. Wir sind der Meinung, dass die Windenergieanlagen einen vernachlässigbaren Effekt auf diese Vögel haben. Bei den Brutvögeln haben wir einen starken Zielkonflikt. Hier müssen Massnahmen ergriffen werden. Einen Kompromiss wird es aber geben müssen, denn wir brauchen die Windenergie, wenn wir die Atomkraftwerke ersetzen wollen. Wichtig ist, dass Studien gemacht werden, damit wir endlich wissen, welche Auswirkungen die Windenergie tatsächlich auf die Vögel hat. Das ist ein Risiko für die Windkraft, doch dieser Weg kann auch eine Chance sein.

 Info:

Windkraft als tragender Pfeiler der Energiewende

Heute werden in der Schweiz mit 33 Windturbinen jährlich rund 92 Gigawattstunden (GWh) Energie produziert – fast die Hälfte davon auf dem Mont-Crosin im Berner Jura. Laut Energiestrategie des Bundes sollen es bis 2050 rund 4000 GWh sein, was der Leistung von 800 Turbinen entspricht. Weil der Stromverbrauch weiter zunehmen wird und die Kernenergie wegfällt, braucht es bis 2050 Ersatz für 22 000 GWh Strom. Dieser soll aus einheimischer, erneuerbarer Energie bestehen, 20 Prozent davon aus Windenergie. Zurzeit sind Projekte für über 400 Windturbinen bei der Kostendeckenden Einspeisevergütung KEV, die Windkraft national fördert, angemeldet. 

 

 

Diese Themenseite erschien am 22. Oktober in der BZ-/Bund-Beilage "Erneuerbare Energie".

Text: Manuela Ryter, textbüro manuskript, bern