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Bienen und Honigwein statt Büro, Bits und Bytes
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Er suchte nach seiner Berufung und fand sie im Bienenwein. Nun führt Alexander Eckert in Innerberg eine Met-Siederei.

 

Fünf glänzend polierte 290-Liter-Edelstahlfässer stehen in Alexander Eckerts Met-Siederei. In ihnen setzte Eckert vor sieben Wochen seinen Honigwein an, mit Quellwasser, Honig, Thymian, Rosmarin und Hefe. Nun hat der Wein aufgehört zu gären und zu blubbern. Eckert hebt sorgfältig den Deckel von einem Fass. Süss ist der Duft, der den Raum sogleich erfüllt. Zwei Jahre lang habe er an diesem Rezept getüftelt, sagt er. Bis der Met eines Tages perfekt war: «Mein Met soll nach Honig riechen, an Grapefruit erinnern und von einer leichten Toastnote abgerundet werden.» Er riecht am Wein im Fass und ist zufrieden. Der goldene Wein wird nun pasteurisiert, im Fass gelagert, damit sich Trubstoffe absetzen, und abgefüllt. Um dann, nach sechs Monaten und viel Akquisitionsarbeit, verkauft zu werden, in Flaschen mit edler Etikette.

So fangen sie meist an, die Geschichten erfolgreicher Unternehmer, die auf ihre Karrieren zurückblicken. So einfach, so verklärt. Ob Alexander Eckert in 20 Jahren seine Vision, in einer alten Bierbrauerei die erste grosse Met-Siederei der Schweiz zu führen, leben oder ob er den Traum längst wieder begraben haben wird, weiss er heute nicht. Noch braut der 37-Jährige seinen Met im kleinen Zimmer zwischen Küche und Bad dieses umgebauten Innerberger Bauernhauses. Noch steht er am Anfang. Und doch ist er bereits angekommen. Denn er hat es gewagt, aus seinem Alltag auszubrechen und sein Glück zu suchen, statt darauf zu warten, dass es ihn findet.

Flucht aus der Bürowelt

2010 sass Eckert noch täglich im Büro und sorgte dafür, dass die PCs der Berner Stadtverwaltung richtig programmiert waren. «Eigentlich waren die Bits und Bytes meine Welt», sagt der Softwareentwickler, der vor acht Jahren von Stuttgart nach Bern gekommen ist. Die Virtualität und die Vergänglichkeit seiner Arbeit hätten ihm aber zugesetzt. «Ich lebte in einer Kunstwelt, die mit der Natur nichts mehr zu tun hatte.» Er habe immer mehr das Gefühl gehabt, «dass da noch mehr in mir drin ist». So suchte er nach seiner wahren Berufung. Was ihm dabei half: Er besuchte Menschen, die «es schaffen, ihr Herz mit der Arbeit zu verbinden», etwa einen Kunstschmied und einen Sattler im Emmental. Bis er merkte, dass er seine Berufung schon gefunden hatte: in seinem Hobby, der Met-Siederei. Es war so weit: Eckert hängte seinen Job im Büro an den Nagel.

Met als Bienenprojekt

Damals, vor drei Jahren, produzierte Eckert den Honigwein noch in 20-Liter-Fässern für sich und seine Freunde. «An einem Weihnachtsmarkt in Stuttgart hatte ich Jahre zuvor erstmals Met probiert. Ich war fasziniert, dass man aus Honig Alkohol machen kann.» Er durchforstete das Internet und begann zu experimentieren.

Der Met brachte ihn zu den Bienen und die Bienen zur Natur, die er im Job vermisst hatte. Eckert entschloss sich, seinen Met aus eigenem Honig zu machen. Er liess sich zum Imker diplomieren und begann Honig der Dunklen Biene, der Apis mellifera mellifera, zu produzieren. Diese «ursprünglichen Bienen Europas» sind schwarz, ihr Bestand gilt als gefährdet. «Das Bewusstsein, dass es den Bienen so schlecht geht, weckte etwas in mir», sagt Eckert. Seine Met-Siederei ist für Eckert daher auch ein Bienenprojekt – auch wenn sein Honig bei weitem nicht mehr für die 400 Liter Met reicht, die er jeden Monat produziert. Doch mit jeder verkauften Flasche fliesst ein Beitrag an seine Bienen. «Ich will, dass die Bienen wieder wertgeschätzt werden und der Met in der Schweiz wiederentdeckt wird.»

Met stand im Mittelalter auf jedem Tisch – und wurde dann vom Wein verdrängt. Heute wird er fast nur noch an Mittelaltermärkten und Burgfesten getrunken. Und zwar warm, wie im Mittelalter. Bei Eckert steht der süsse Honigwein eisgekühlt im edlen Weinglas auf dem Tisch – zu Shortbread oder Apfelringen. «Er eignet sich auch bestens für den Aperitif, zu rezentem Käse oder Bündnerfleisch», sagt er stolz. Da der süsse Wein vor allem bei Frauen ankam, entschloss er sich, eine Sorte zu kreieren, die auch Männern mundet. Herausgekommen ist ein herber und weniger süsser Met, der auch zu Wild oder Fondue serviert werden kann.

Freiheit, etwas Sinnvolles zu tun

Zwar spüre er den wirtschaftlichen Druck, sagt Eckert. Doch dank dem intensiven Kontakt zur Natur spüre er sich selbst wieder. Und er fühle sich zufrieden und frei. Freiheit bedeute für ihn, etwas Sinnvolles zu tun. Etwas Wertvolles und Schönes zu schaffen. Etwas, das nachhaltig sei. Wie der Geschmack seines Met, der lange auf der Zunge haften bleibt.

 

Dieser Beitrag erschien am 26.9.2013 im "Bund". 

Text: Manuela Ryter, textbüro manuskript bern