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Von der Liebe zu Autos und Frauen
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Mit einem Tuning-Fan an der Auto-Emotionen-Messe in Bern.​

Violett schimmert Daniel Siegrists Auto. Das heisst, je nach Licht. Von hinten schimmert der tiefer gelegte Wagen mit dem futuristischen Heckflügel eher rötlich. Oder ist er blau? Kamäleon heisse diese Farbe - das sei ein Lack mit Goldstaub, 1000 Franken pro Liter, erklärt Siegrists Freundin Franziska Wernli. Sie ist Autolackiererin. Er ist Automechaniker. Das Auto war einmal ein blauer VW Vento 6 Zylinder. Nun ist der geheimnisvoll schimmernde Wagen ein Unikat. Genau wie all die anderen glänzenden, dröhnenden und tönenden Tuning-Autos auf dem Gelände der Auto-Emotionen-Messe an der BEA. Hier ging es drei Tage lang um breite Räder und verchromte Felgen, um Turbolärm und hämmernde Bässe. Und um Frauen. Doch dazu später.

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Ein richtiger Tuning-Freak kauft kein präpariertes Fahrzeug. «Ich habe die gesamte Carrosserie des Autos selbst zerlegt», sagt Daniel Siegrist und zeigt stolz seinen Wagen, den er als Besucher auf dem Ausstellungsplatz präsentiert. Er grüsst hier und dort, man kennt sich in der Szene. Der Kotflügel wurde verbreitert, damit die breiten Räder darunter passten. Siegrist schweisste auch eine neue Motorhaube an, wechselte Auspuff und Seitenspiegel für den Sportlook, entfernte alle Kennzeichen der Automarke. Auch Stossstangen und Seitenschweller seien neu, damit das Auto tiefer liege. Und im Innenraum fehlen natürlich auch die Sportsitze und eine 2500-Watt-Musikanlage mit Verstärker nicht. «Den Motor habe ich erst zum Teil verchromt», sagt Siegrist - ein Tuning-Auto sei nie fertig, da sei immer etwas zu verbessern. Er sei ein Perfektionist, «doch das geht ins Geld» - sechs Monate Arbeit und 25 000 Franken habe er bisher ins Aufpeppen dieses Autos investiert, sagt der 25-Jährige aus Reconvilier und lässt den Motor aufbrausen. «Ein schöner Lärm, nicht?» fragt er und lacht.

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Die Ausstellungshallen, in denen Tuning-Clubs ihre Wagen präsentieren und Firmen Felgen, Stossdämpfer und Hifi-Anlagen anbieten, hat sich Siegrist schon mehrere Male angesehen. Technobässe hämmern aus unzähligen Autoboxen und vermischen sich mit dem Stimmengewirr der Besucher - 22 000 waren es insgeamt, 7000 mehr als letztes Jahr. Es gebe nicht nur Sportwagen, sondern auch alte Autos, die getunt seien, sagt Siegrist und zeigt auf einen VW-Käfer. Schliesslich gehe es beim Tuning um schöne Autos und nicht um schnelle. «Rasen würde ich mit einem getunten Auto nie. Der Look ist wichtiger.» Man könne es aber auch übertreiben, sagt Siegrist und zeigt auf einen ausgestellten Wagen, der im Takt der Musik aufblitzt und den Boden blau beleuchtet. Ihm gefielen dezenter aufgepeppte Wagen besser. «Ich möchte lieber auf den zweiten Blick auffallen.» Aber jeder habe seinen Stil, sein eigenes Auto - das mache Tuning ja gerade so spannend.

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Liebe sei es nicht, die er für Autos empfinde, es sei eher Leidenschaft - «man liebt ja nicht Autos, sondern Menschen», sagt der Automechaniker und beobachtet, wie sich die Kandidatinnen der Miss-Auto-Emotionen-Wahl gerade auf den Formel-1-Wagen räkeln. Schöne Autos, schöne Musik und schöne Frauen, das passe zueinander, sagt er. Aber schliesslich zählten in der Liebe nicht nur äussere Werte. Beim Auto schon.

Text: Manuela Ryter

Dieses Feature erschien am 19. September 2005 im "Bund".​